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Polykultur für den Nahrungsertrag unter trockenen Bedingungen

In diesem Blogbeitrag möchte ich dir vermitteln, wie eine Polykultur für den Nahrungsertrag unter trockenen Bedingungen gestaltet sein kann.

Zweck und Ziele

Im Hinblick auf rapide Klimaveränderungen macht es zunehmend Sinn, sich Gedanken über trockenheitstolerante Systeme zu machen und diese zu erproben. Der Ausgangspunkt soll also eine Polykultur zum Obst- und Gemüseertrag sein, die…
a) …Pflanzen enthält die Trockenheit gut vertragen,
b) über einen möglichst langen Erntezeitraum Nahrung liefern soll, und
c) sich möglichst schnell etabliert.

Der Gesamtdurchmesser der Fläche beträgt 10-15 Meter.

Pflanzen die Trockenheit (oder Stress generell) gut vertragen sind meist Pionierpflanzen mit Ruderal-Strategien. Der Nebeneffekt dieser Polykultur mit gleich mehreren Stickstofffixierern ist ein massives Potential zur Speicherung von CO2.

Dieser Überschuss kann als Nährstoffversorgung angrenzender Bereiche eingeplant werden, bei entsprechender Gestaltung auch als Viehfutter (Erbsenstrauch) genutzt werden.

Alle angegebenen Pflanzen sind als trockenheitstolerant angegeben, solche mit essbaren Teilen sind von Plants For A Future (PFAF) mit einem Rating von 4-5 (bei einer Skala von 1 – nicht lohnenswert bis 5 – exzellent) eingestuft.

Aufbau und Architektur

Baum-Ebene

Dies ist ein Entwurf für eine Polykultur mit einem zentralen Ertragsbaum, in diesen Fall ist die Jujube oder Chinesische Dattel (Ziziphus jujube) gewählt.
Genauso denkbare Alternativen mit ähnlicher Ausdehnung wären beispielsweise: Birne (Pyrus communis), Zwergkastanie (Castanea pumila), bestimmte Weißdorn-Arten (Crataegus spp.), Feige (Ficus carica), Gingko (Gingko biloba), und Kiefern (Pinus spp.), Möchte man möglichst viel CO2 speichern, dann empfehlen sich leguminose Bäume wie Akazien (Acacia spp.), Robinie (Robinia pseudoacacia), Gleditsia, Albizia, etc.

Strauch-Ebene

Die Sträucher sind allesamt sonnenliebend und daher tendenziell im Süden positioniert. Einerseits sind dies die bekannten mediterranen Halbsträucher (Salbei, Lavendel, Thymian, Rosmarin), andererseits schnell wachsende Pioniersträucher. Nahezu alle Pflanzen dieser Ebene liefern einen Nahrungsertrag.

Der Sibirische Erbsenstrauch (Caragana arborescens) bildet essbare Schoten ähnlich einer Zuckererbse, bindet Stickstoff und ist attraktiv für Insekten.

Die Korallen-Ölweide (Eleagnus umbellata) ist ein stickstofffixierender Strauch mit früher attraktiver Blüte, im Spätsommer bildet er säuerliche Beeren. Mittlerweile sind sehr gute, großfrüchtige Ertragssorten erhältlich.

Die Ebbings-Ölweide (E. X ebbingei) ist eine immergrüne Art derselben Familie, die im Norden zusätzlich die Rolle eines Windschutzes, vor allem im Winter, übernehmen kann.

Der Sanddorn (Hippophae rhamnoides) benötigt zum Fruchtertrag einen männlichen Bestäuber in der Umgebung, es sei denn man setzt auf selbstfruchtbare Züchtungen (z.B. ‘Friesdorfer Orange’), aber auch hier empfehlen sich zur optimalen Fruchtbildung zwei Exemplare. Der Bestäuber sollte in der näheren Umgebung sein, muss aber nicht zwingend in dieser Polykultur sein.

Ebenfalls Trockenheit vertragende Alternativen zu den hier gewählten Arten sind:

Als reine Stickstofffixierer und Insektenpflanzen kannst du auch den Blasenstrauch (Colutea arborescens) oder der Besenginster (Cytisus scoparius) verwenden.

Als Nährpflanzen für Bestäuber und Schädlingsräuber mit weiteren Funktionen können der Sommerflieder (Buddleja davidii), die Strauchlupine (Lupinus arboreus), und der Liguster (Ligustrum spp.) dienen.
Der Amerikanische Schneeball (Viburnum opulus var. americanum) trägt im Unterschied zum bei uns verbreiteten Zierstrauch derselben Familie Beeren. Die Chilenische Guave (Myrtus ugni) ist ein weiterer interessanter Exot.

Speziell für saure Böden empfehlen sich zum Beispiel die Shallon-Scheinbeere (Gaultheria shallon), die Büffelbeere (Shepherdia argentea) und Kiefern (Pinus spp.).

Stauden-Ebene

Auch die Stauden-Ebene ist auf Nahrungsertrag ausgerichtet:
Hier befinden sich vor allem mehrjährige Gemüsepflanzen wie Artischocke/Cardy (Cynara spp.) und Meerkohl (Crambe maritima), sowie Stauden für Bestäuberinsekten und zur Schädlingsabwehr. Viele dieser für Insekten attraktiven Wildpflanzen sind für uns essbar und gesund: Schafgarbe (Achillea millefolium), Fenchel (Foeniculum vulgare), Melissen (Melissa spp.), u.v.m.

Diese können auch mit Einjährigen ergänzt werden, die sich fortan durch Selbstaussaat (sofern zugelassen) halten werden: Borretsch (Borago officinalis), Ringelblume (Calendula officinalis) und Amaranth (Amaranthus spp.), um nur einige zu nennen.

Bodendecker

Die Bodendecker-Ebene richtet sich vor allem nach dem Boden: Auf steinigen sandigen Böden würde man entsprechende Arten (z.B. Sedum spp.) verwenden. In dieser Situation gehen wir von einem „gewöhnlichen“ schluff-lehmigen Gartenboden aus und zielen auf sich ausbreitende Pflanzen: Im Schattenbereich unter der Baumkrone soll der Bewuchs niedrig bleiben um eine problemlose Ernte zu ermöglichen, dabei aber möglichst trittfest sein, hier bieten sich an: Efeu (Hedera helix), kriechende Himbeersträucher aus Ostasien (Rubus tricolor und R. nepalensis), Kriechende Scheinbeere (Gaultheria procumbens), Wald-Erdbeere (Fragaria vesca), Günsel (Ajuga reptans), u.v.m.
Spät austreibende Arten können gegebenenfalls mit Frühblühern ergänzt werden. So könnte beispielsweise der Bärlauch (Allium ursinum) den Boden schützen, bis später im Frühling die Gundelrebe (Glechoma hederacea) für den Rest des Jahres übernimmt.

Kletterpflanzen

Die Ebene der Kletterpflanzen ist in diesem Beispiel nicht besetzt. Hier könnte aber beispielsweise Wein (Vitis spp.) sehr gut eingesetzt werden, sowie auch Hopfen (Homulus lupulus) oder Platterbsen (Lathyrus latifolius).

Sukzession und Pflege

Die Erstpflanzung sollte aus den Gehölzen und den horstbildenden Stauden (Achillea, Cynara, Crambe, Melissa) bestehen. Die Jujube solltest du in den ersten Jahren vor harten Frösten schützen. Anfänglich sollten die Gehölze großzügige Mulchscheiben von 1 bis 2 Metern Durchmesser erhalten und für die ersten Jahre regelmäßig erneuert werden. Bei Bestand an Gräsern und ähnlich konkurrenzstarken Pflanzen empfiehlt sich immer ein Flächenmulch zur Pflanzvorbereitung der Stauden. Möchtest du bodendeckende Ebenen erfolgreich flächendeckend etablieren, dann ist der Lichtentzug für bis zu einem Jahr die verlässlichste Art. Für größere Flächen die nach und nach bepflanzt werden sollen, bietet sich dazu eine Kunststofffolie (sogenanntes ‘Gartenbaugewebe’) an, die sozusagen als „Wander-Flächenmulch“ von Jahr zu Jahr weiter verlegt wird. Wenn die Folie entfernt wird ist es essentiell, den Platz sofort flächendeckend mit den erwünschten Arten zu besetzen bevor ungewünschte Arten dort einwandern.

Sowohl die Jujube als auch die Sträucher sind recht schnell wachsend, so sollte nach 3-5 Jahren ausreichend Schatten vorhanden sein, dass auch die schattenliebenden Arten (Gaultheria, Rubus) unter der Baumkrone eingeführt werden können.

Mit einem Gemüseertrag aus den unteren Ebenen kannst du ab dem 2. Jahr rechnen, die Gehölze werden erst ab dem 3.-6. Jahr langsam in Ertrag kommen. Denkbar ist es außerdem, später (10+ Jahre) einen Stickstofffixierer zugunsten eines weiteren Obstbaumes zu entfernen.

Wassermanagement der Polykultur

Allgemein ist die Wasserspeicherung von höchster Wichtigkeit.
Unabhängig von der Bodenart können verschiedene Zuschlagstoffe die Wasseraufnahme und -speicherung verbessern, dazu gehören vor allem (meist mineralische) Stoffe mit extrem großen Oberflächen: Perlit und Vermiculit gehören dazu, sicher nutzt auch Pflanzenkohle (‘biochar’), die jedoch unbedingt bereits “aufgeladen” sein muss. Allgemein wird die Feuchtigkeit durch konsequentes Aufstocken der Mulchschicht deutlich besser gehalten,

Eine Unterflur-Bewässerung (16mm PE-Tropfrohr, im Boden als “Unterflur-Rohr” oder unter Mulch verlegt) kann den Jungbäumen in den ersten Jahren bei extremer Trockenheit das Leben retten und ist mit einer Zeitschaltung versehen eine effiziente Lösung. Am meisten Wasser ist letztlich am effektivsten in lebendigen Pflanzen gespeichert, daher unbedingt so früh wie möglich eine vollständige Bodendeckung anpeilen!

Die Werkzeugkiste der Permakultur bietet viele Techniken und Strategien die für extreme Klimabedingungen anwendbar sind. Siehe dazu [Bill Mollison. 2012. Handbuch der Permakultur-Gestaltung. PIA; Kapitel 10-12] und Geoff Lawton’s ‘Greening The Desert’.
[Permaculture Greening the Desert – Geoff Lawton.
https://www.youtube.com/watch?v=2xcZS7arcgk]


Dieses Design habe ich als illustrierendes Beispiel für den Gestaltungsprozess einer Polykultur gemacht. Als solches ist es eine „Trockenübung“, die fürs Erste keinen konkreten Bezug zur Realität hat. Sie ist vielmehr als Sammlung von potentiell gut geeigneten Arten zu verstehen, deren hier gezeigte Anordnung völlig unerprobt ist. Umso mehr wäre ich jedoch gespannt zu hören, welche Erfahrungen Leute machen die dieses Rezept (oder eine Abwandlung davon) versuchen umsetzen. Darüber hinaus freue ich mich grundsätzlich über Feedback.

post@permagruen.de

2022 | Jörn Müller | permagrün | www.permagruen.de

Von Jörn Müller

Jörn Müller ist durch seinen Drang zur Nachhaltigkeit über die Jahre vom Kulturwissenschaftler über den Baumpfleger und den Gartenbauer zur Permakultur gekommen. Heute wendet er als Waldgärtner deren Prinzipien auf das Design, die Planung und Umsetzung von Ökosystemen für den menschlichen – und vor allem enkeltauglichen - Nutzen an. Besonders prägend war für ihn der Forest Garden Design Course bei Martin Crawford im südenglischen Dartington, einem der ältesten Waldgartensysteme im gemäßigten Klima. Zuletzt übersetzte er dessen Waldgarten-Handbuch Creating A Forest Garden (erscheint im Juni 2021 bei OLV). Er experimentiert seit 2017 im Grünheck, einer Fläche im nordbadischen Dossenheim mit Waldgartenprinzipien und Pflanzengemeinschaften, Techniken für geschlossene Ressourcenkreisläufe wie Kompostierung, Mulchwirtschaft und Pflanzenkohle, und vermehrt für Waldgärten besonders geeignete Nutzpflanzen.

2 Kommentare zu “Polykultur für den Nahrungsertrag unter trockenen Bedingungen

  • Aline

    Vielen Dank für die spannenden Anregungen. Wir haben vor einem Jahr mit einem Waldrandgarten in der Grösse von 3000 m2 gestartet. Wir arbeiten Schritt für Schritt an der Entwicklung der Fläche, lassen uns aber auch sehr stark von dem Beeinflussen, was sich als Sukkzession entwickelt. Die Gestaltung haben wir auf Papier gemacht, aber gemerkt, dass wir dem Ort nichts überstülpen wollen. Dennoch haben wir einige Pflanzen, die du nennst verwendet (Ölweide, Sanddorn, Hopfen etc.). Jetzt sind wir gespannt, wie sie die nächsten, wahrscheinlich immer trockeren Jahre überstehen. Liebe Grüsse, Aline und Sascha von Artenreich

  • Miguel

    Wir müssen uns wohl an die Trockenheit anpassen;(

    Miguel

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